Christine Hutterer – Problem: Alkohol. Wege aus der Hilflosigkeit. Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde

Christine Hutterer – Problem: Alkohol. Wege aus der Hilflosigkeit. Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde, Berlin 2019, Stiftung Warentest, ISBN 978-3-7471-0111-7, Softcover, 176 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Fotos: Sibylle Fendt, Format: 16,5 x 1,3 x 21,7 cm, Buch: EUR 19,90, Kindle; EUR 14,99.

Abb. (c) Stiftung Warentest, Berlin

„Das Buch ist für jeden, der sich Sorgen oder Gedanken über den Alkoholkonsum eines nahestehenden Menschen macht. (…) Je früher Sie sich damit auseinandersetzen, wie Sie einer Alkoholkonsumstörung – so der medizinische Fachbegriff – in Ihrem nahen Umfeld begegnen, desto besser sind die Chancen, dass der Betroffene einen Weg aus dem Konsum findet und dass es Ihnen gelingt, gesund zu bleiben. Denn auch Sie leiden.“ (Seite 11)

Im Umfeld jedes Menschen mit Alkoholproblemen gibt es in der Regel mehrere Angehörige, die mitleiden. Und die können sich verflixt hilflos fühlen. Ein Alkoholproblem beginnt ja schleichend. Erst kriegt man es gar nicht mit, dass der Angehörige zu viel trinkt, dann verdrängt man es, und wenn es nicht mehr zu verdrängen ist, weiß man nicht, was man tun soll. Schimpfen, drohen, weinen, betteln, ihn kontrollieren, also all das, was man instinktiv macht, bringt nichts.

Nur ungern fragt man in dieser Situation jemanden um Rat, weil Alkoholprobleme immer noch schambehaftet sind. Also recherchiert man heimlich ein bisschen und stößt vielleicht auf Aussagen wie: „Du musst dich ändern, dann ändert sich auch dein Angehöriger.“ ‚Oh‘, denkt man betroffen, ‚er trinkt, weil mit mir was nicht stimmt!‘ Das ist aber weder wahr noch hilfreich.

Wertvolle Tipps für Angehörige

Zum Glück gibt es kompetente Anlaufstellen: Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Ärzte, Psychologen etc., die den Angehörigen helfen können. Das Buch zeigt sie uns auf und liefert uns auch sonst eine Vielzahl hilfreicher Informationen. Erst wenn wir die Krankheit verstehen und wissen, was wir tun (können), haben wir die Chance, auf den Erkrankten dahingehend einzuwirken, dass er eine Therapie macht. Zwingen können wir ihn nicht dazu. Das hätte auch gar keinen Sinn. Erst, wenn derjenige selbst einsieht, dass er ein Alkoholproblem hat und daran etwas ändern will, ist die Zeit reif für eine Behandlung.

Und nochmal: Wir tragen weder die Schuld daran noch die Verantwortung dafür, dass ein Familienmitglied trinkt. Es ist eine Krankheit. Wir müssen uns auch keine neue Persönlichkeit zulegen, um demjenigen zu helfen. Wie können den Betroffenen aber mit etwas Glück und den richtigen Kommunikationstechniken argumentativ erreichen, wenn er nüchtern ist. Wir können ihm das Trinken allerdings ungemütlicher machen, indem wir ihm nicht all seine Arbeit und Verantwortung abnehmen. Und wir können das Nüchternbleiben durch positive Verstärkung belohnen.

Selbstfürsorge ist wichtig

Vor allem müssen wir uns gut um uns selbst kümmern. Es nützt niemandem, wenn wir vor lauter Sorgen und Aufopferung vor die Hunde gehen. Im Flugzeug sind wir ja auch gehalten, uns in einem Notfall erst selbst die Sauerstoffmaske aufzusetzen, damit wir dann denen helfen können, die Unterstützung brauchen. Besonders wichtig ist diese Selbstfürsorge, wenn Kinder in die Situation involviert sind, die man schützen muss. Das erfordert viel Kraft. Davon berichten auch die Interviewpartner*innen, die der Autorin in diesem Buch ganz offen ihre Geschichte erzählen. An deren Beispielen sehen wir: Auch wenn zum Teil eine sehr lange Leidensgeschichte hinter ihnen liegt – Alkoholabhängigkeit ist behandelbar. Die Chancen stehen gut, sogar besser als bei anderen Suchterkrankungen.

Wir erfahren, welche Therapieformen es gibt, was dort im Einzelnen geschieht, wie wir den Angehörigen dabei begleiten können, wie wir mit möglichen Rückfällen umgehen – und was geschieht, wenn alle unsere Anstrengungen vergebens sind und der Alkoholabhängige nicht die Kraft oder den Willen hat, eine Therapie zu beginnen.

Keine Erfolgsgarantie

Die Autorin sagt ganz unmissverständlich, dass es keine Erfolgsgarantie gibt. Man kann alle Profitipps minutiös umsetzen und trotzdem scheitern, weil man den Betroffen einfach nicht erreicht. Und/oder weil manche Menschen es vorziehen, ihre Krankheit zu behalten statt sich auf eine ungewisse Zukunft ohne das Hilfsmittel Alkohol einzulassen. Brutal gesagt: Manche sterben lieber als eine Veränderung zu riskieren.

Im Übrigen ist kein Mitbetroffener verpflichtet, die Tipps in dem Buch zu befolgen und sein Leben neu zu sortieren. Ob er lieber weitermachen will wie bisher oder sich dazu entschließt, den alkoholkranken Angehörigen zu verlassen, weil er die Situation nicht mehr erträgt, ist seine freie Entscheidung. Das ist alles okay.

Wir sind nicht hilflos und allein

Das Buch ersetzt keine professionelle Begleitung oder Therapie. Auch das sagt die Autorin ganz deutlich. Es beschreibt aber die Möglichkeiten, die man als Angehöriger hat und zeigt, dass man keinesfalls so allein und hilflos dasteht, wie man im ersten Moment meint.

Wenn man als Angehöriger dieses Buch rechtzeitig in die Finger bekommt und nicht erst wertvolle Jahre damit verschwendet, mit ungeeigneten Mitteln an dem Problem herumzudoktern, kann man womöglich tatsächlich dazu beitragen, dass der Abhängige noch die Kurve kriegt. Ich wünsche es jeder betroffenen Familie von ganzem Herzen! Es ist auf jeden Fall sinnvoll, es zu versuchen.

Inhaltsverzeichnis

  • Was wollen Sie wissen?
  • Maßvoll oder bedenklich?
  • Die eigene Rolle (neu) bewerten
  • Alltagskonflikte überwinden
  • Veränderungen einleiten
  • Den Weg aus der Sucht begleiten
  • Abstinenz gemeinsam leben
  • Hilfe (Adressen)

Die Autorin

Dr. Christine Hutterer ist Medizinjournalistin, promovierte Biologin und Autorin. Seit vielen Jahren schreibt sie für Fachkreise, Betroffene und Angehörige unter anderem über Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen.

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

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