Nina Sedano: Happy End. Die stillen Örtchen dieser Welt

Nina Sedano: Happy End. Die stillen Örtchen dieser Welt. Neues von der Ländersammlerin, Berlin 2015, Eden Books, ISBN 978-3-944296-94-4, Klappenbroschur, 367 Seiten, Format: 13,7 x 3,2 x 20,9 cm, Buch: EUR 14,95 (D), EUR 15,40 (A), Kindle Edition: EUR 11,99.

Abbildiung: (c) Eden Books
Abbildiung: (c) Eden Books

„Zahlreiche Reisen als ‚homo mobilis femi-nina’ verführen mich in fremde Länder und deren interessante Kulturen. Es ist meine große Leidenschaft, die auch Leiden schafft, denn: Ich muss mal …“ (Seite 7).

193 Länder hat die Autorin Nina Sedano bereist und kann nicht nur von Begegnungen und Abenteuern berichten, sondern auch viel Wissenswertes über die unterschiedlichen Gepflogenheiten und Hygienestandards rund um die Toilette erzählen. Ihre Reiseberichte lesen sich lebendig und amüsant. Nicht umsonst war ihr vorheriges Buch DIE LÄNDERSAMMLERIN im Jahr 2014 auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ob sie vom kollektiven Herumblödeln in der Zugtoilette weiland auf der Klassenfahrt berichtet, vom Stehklo-Kulturschock nach dem Abi in Paris, von „Zaungästen“ der besonderen Art in Kabul/Afghanistan, von zweckentfremdeten Blumentopf in einem Hotel in Myanmar, gruseligen hygienischen Zuständen in China oder vom Durchfall in Indien – das sind „Klobetrotter“-Geschichten aus dem wahren Leben. Das Problem ist nur: sie füllen kein ganzes Buch. Also muss zusätzliches Material her. Und da kommt’s dann innerhalb des Buchs zu gewissen Qualitätsschwankungen.

Faktensammlungen wie die Kulturgeschichte des stillen Örtchens sind naturgemäß nicht so mitreißend wie persönliche Reise-Erlebnisse, aber dennoch interessant. Dass man auf den schottischen Orkney-Inseln schon in der Jungsteinzeit (3.000 v.Chr.) schon Toiletten-Nischen in den Behausungen hatte, von denen unterirdische Abzugsräben auf die Felder führten, war mir zum Beispiel neu. So lange kennt die Menschheit also schon Toiletten! Ungefähr zur selben Zeit haben die alten Assyrer (im heutigen Syrien) Abtritte, Waschplätze, eine Kanalisation, Wasserversorgung und Abflussleitung in ihre Siedlungen eingebaut.

Interessant und informativ – aber leider ohne Bilder
Manche historischen Toiletten in Schlössern, Burgen und Klöstern kann man heute noch besichtigen. Die Autorin schreibt auch öfter mal, dass sie vor Ort war und fotografiert hat, aber weil das Buch leider keine Abbildungen enthält, kann sie uns nur beschreiben, was sie gesehen hat. Und das ist ausgesprochen schade! Wie muss man sich denn die „Garderobenkammer“ von Schloss Chepstow vorstellen? Oder die Klo-Nischen in Burg Liebenzell? Klar kann man versuchen, nach den Bildern zu googeln oder zu schauen, ob vielleicht „Toiletten-Guru“ Bob Cromwell entsprechendes Fotomaterial auf seiner Seite hat: http://www.toilet-guru.com. Aber ein bisschen unkomfortabel ist das schon.

Die Geschichte des Klopapiers wird beleuchtet, die Umweltaspekte des Toilettengangs – vor allem der Wasserverbrauch beim Spülen und die Verwendung von Chemie bei der Toilettenreinigung. Wir erfahren unter anderem auch, wie man in rund 80 Sprachen nach dem nächsten Klo fragt. Es gibt in Sachen Klo sogar rechtliche Aspekte zu beachten! Themen wie Hygiene und medizinische Aspekte des Verdauungsvorgangs werden gestreift. Wie großen Einfluss der Zugang zu einigermaßen hygienischen sanitären Anlagen auf Gesundheit und Lebenserwartung der Menschen ist, hätte ich nicht gedacht. Das alles ist lehrreich und informativ.

Das Niveau klettert zum Klofenster hinaus und verpisst sich
Ein bisschen boulevardesk wird es, wenn Nina Sedano eine Sammlung von Pressemeldungen und andere „abortige“ Anekdoten präsentiert, zum Beispiel über Geburten, Kriminal- und Todesfälle auf den Toiletten dieser Welt. Wenn dann die betagten Klowitzchen, eine mehrseitige Sammlung von Toilettengraffiti und die „Psychologie des Pinkelns“ kommen, sind wir endgültig in den Niederungen des Pennälerhumors angelangt. Das Niveau klettert zum Klofenster hinaus und verpisst sich.

Persönliche Reiseberichte, seriöse Informationen, kuriose Anekdoten und primitiver Unfug stehen hier gleichberechtigt nebeneinander, und das will nicht so recht funktionieren. Dass man trotzdem allerhand lernen kann, sieht man am „Klokus-Quiz“ ab Seite 317. Wer das Buch bis dahin aufmerksam gelesen hat, wird einen großen Teil der Fragen richtig beantworten können. Ob’s zur vollen Punktzahl und damit zur symbolischen Auszeichnung mit der „Goldenen Klobürste“ reicht, wird sich zeigen. Es kommen im Quiz auch Fragen vor, die nicht vorher im Buch behandelt worden sind. Die richtigen Lösungen werden aber ausführlich erklärt, und so legt man das Werk tatsächlich schlauer weg als man es zur Hand genommen hat.

Amüsant und erhellend trotz flacher Witze
Für meinen Geschmack hätten es ein paar Kalauer und Flachwitze weniger sein dürfen, aber alles in allem ist das Buch amüsant und erhellend. Wenn man jetzt vom WASH-Projekt (Water, Sanitation and Hygiene) hört, für das sich auch die Bill and Melissa Gates Stiftung engagiert, oder etwas über die WTO (World Toilet Organization) liest, die 2001 in Singapur von dem Unternehmer Jack Sim gegründet wurde, dann hält man das nicht mehr für einen Spleen reicher Leute, sondern weiß um die Notwendigkeit dieser Einrichtungen.

Da man das Buch gut kapitelweise lesen kann und nicht, wie bei einem Roman, an einer Handlung dranbleiben muss, ist es durchaus eine passende Lektüre für Leute, die auf der Toilette zu lesen pflegen. Und natürlich für Menschen, die sich von Haus aus für jeden Sch*** interessieren. 😉

Die Autorin
Mit 13 Jahren wurde Nina Sedano bei einem Sprachaufenthalt in England vom Reisefieber gepackt. Vor zehn Jahren kündigte die Frankfurterin ihre Anstellung bei einem Kreditkarteninstitut und widmete dem Reisen von da an einen Großteil ihrer Zeit. In den letzten 23 Jahren hat »die Ländersammlerin« 193 Staaten bereist.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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